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Immer mehr Medikamente im Trinkwasser

Ganz egal ob Antibiotika oder Schmerzmittel, etliche Arzneimittel lassen sich im Trinkwasser nachweisen. 2011 hat das Umweltbundesamt 23 Wirkstoffe im Trinkwasser entdeckt, 55 im Grundwasser und bei Seen und Flüssen liegt die Zahl sogar im dreistelligen Bereich. Aber wie gelangen diese Substanzen in unser Wasser und was hat das für Folgen für unsere Gesundheit und für die Umwelt?

Wie kommen Medikamente ins Trinkwasser?

Beim Einnehmen von Arzneimitteln belasten wir das Trinkwasser, ohne es zu merken. Denn viele der Wirkstoffe werden im Körper in der Regel nicht vollständig abgebaut, dann ausgeschieden und gelangen durch die Kanalisation in die Klärwerke. Viele Menschen entsorgen alte Substanzen zusätzlich in der Toilette oder Spüle. In den Klärwerken werden diese Wirkstoffe nur notdürftig entfernt.

Sie gelangen in Flüsse, Seen und dann auch wieder in unser Leitungswasser. Weiterhin werden Arzneimittel aus der Tierzucht durch Mist und Gülle auf den Äckern verteilt und gelangen durch Versickern in das Grundwasser. Auch wenn die Konzentrationen von Arzneimittelrückständen im Leitungswasser gering sind, sind gesundheitliche Bedenken anzubringen, denn die Auswirkungen auf den Menschen sind kaum erforscht.

Gesetzliche Regelungen

Die bisherigen Zahlen sind laut Forschern aller Wahrscheinlichkeit nach nur ein kleiner Teil der wirklich sich im Wasser befindenden Wirkstoffe, denn gefunden werden kann nur, wonach gesucht wird. Da es in Deutschland zwischen 2.500 und 3.000 Arzneimittel gibt, kann es gut sein, dass sich auch eine ähnliche Zahl in unserem Wasser befindet. Laut Umweltbundesamt gelangen täglich mehrere Tonnen Arzneimittelwirkstoffe in Böden und Gewässer.

Die Konzentrationen der Wirkstoffe belaufen sich in der Regel auf zwischen 0,1 und 1 Mikrogramm pro Liter. In einigen Fällen wurden aber auch mehrere Mikrogramm pro Liter gefunden. Trotz vieler Kritik von Forschern und Umweltaktivisten gibt es bislang keine verbindliche Norm oder Grenzwerte, was die Konzentration von Medikamenten im Wasser betrifft.

Neu zugelassene Arzneimittel müssen mittlerweile eine Umweltrisikobewertung vorlegen, dies gilt jedoch nicht für Wirkstoffe, die schon auf dem Markt sind. Doch selbst bei negativem Befund hat dies keine Auswirkungen auf die Zulassung. Für Arzneimittel und medizinische Abfallprodukte wie Röntgenkontrastmittel gibt es bisher keine Grenzwerte in Trinkwasser. Wer folglich ungefiltertes Leitungswasser trinkt, nimmt somit einen Cocktail verschiedenster Wirkstoffe mit unbekannten Auswirkungen zu sich.

Konsequenzen von Medikamenten im Trinkwasser

Die Konsequenzen von Arzneimitteln in unserem Wasser auf die Gesundheit wurde bislang wenig untersucht, insbesondere über Langzeitschäden gibt es bisher keine Auskunft. Einige Forscher sind der Ansicht, dass sie nicht ungesund für den Menschen sind, da sie nur in sehr geringen Konzentrationen im Wasser enthalten sind.

Die Rückstände, die im Trinkwasser nachweisbar sind, liegen sehr weit unter der Wirkungsschwelle für den Menschen. Selbst wenn wir täglich Medikamente über das Wasser aufnehmen, entspräche die Konzentration nur wenigen Tagesdosen. Dennoch ist zu bedenken, dass es sich nicht nur um einen einzigen Wirkstoff im Wasser handelt, sondern gleich um einen ganzen Medikamenten-Cocktail, wobei über das Zusammenwirken der einzelnen Wirkstoffe wenig bekannt ist.

Vermutet werden Entwicklungsstörungen bei männlichen Sexualorganen sowie Brustkrebs bei Frauen. Viele Experten meinen deshalb, dass schon alleine der Vorsorge wegen diese Rückstände aus dem Wasser entfernt werden sollten.

Auswirkungen auf die Umwelt

Wie genau sich die Rückstände von Medikamenten auf Umwelt und Tiere auswirken, ist bislang wenig erforscht. Forscher haben jedoch herausgefunden, dass sich die Medikamentenrückstände negativ auf das Verhalten von Fischen auswirken. Dies kann weitreichende Folgen für unser Ökosystem haben, das auf einem sehr empfindlichen Gleichgewicht beruht.

Während Antibiotika das Wachstum von Algen und Pflanzen hemmen, beeinträchtigt die Antibabypille beispielsweise schon in sehr geringen Konzentrationen die Reproduktion von Fischen nachhaltig, das Schmerzmittel Diclofenac dagegen schädigt innere Organe wie Leber und Niere der Fische.

Das Institut für sozial-ökologische Forschung (ISEO) fasst in einer themenrelevanten Veröffentlichung von 2014 drei toxikologisch kritische Einflussgrößen zusammen: So wurden in Gewässern Stoffe entdeckt, die hormonartiges Wirkungspotential aufweisen, Stoffe mit gentoxischer Wirkung und Stoffe, die die Entwicklung resistenter Bakterien fördern.

Handlungsmöglichkeiten der Politik

Die Ansätze der Politik, dieses Problem in den Griff zu bekommen, werden nicht mit viel Elan verfolgt. Generell gibt es zwei Lösungsansätze: Zum einen kann man die Wirkstoffe aus dem Wasser filtern. Dabei durchläuft das Wasser Aktivkohlegranulat, was eine sehr feine und poröse Oberflächenstruktur hat, an der verschiedene Stoffe hängen bleiben und so aus dem Wasser gefiltert werden können. Derzeit gibt es solche Anlagen nur in Pilotprojekten. Sie in allen Kläranlagen einzuführen, würde viel Geld kosten und ist aufwendig.